Mittwoch, 8. August:
Egeskov Slot
Das Entsetzen kam gestern, kurz bevor der Schlaf die Macht übernehmen konnte: Mir fiel siedendheiß ein, dass ich bei der Empfängeradresse für den Schlüssel eine falsche Straße angegeben hatte und der Empfänger damit nicht auffindbar wäre. Klasse. Wenn’s einmal läuft … Eine nächtliche Recherche bei GLS ergab, dass der Telefonservice täglich von 8 bis 18 Uhr besetzt ist; außerhalb dieser Zeiten empfiehlt man mir die Nutzung des Kontaktformulars. Ich verfasse also eine schriftliche Anfrage; auf die Antwort warte ich übrigens noch heute!
Um das Schlüsseldrama endlich zu einem Ende zu bringen, klingele ich also früh Schlag 8 Uhr bei GLS Deutschland durch und erfahre, dass GLS Dänemark zuständig ist für Adressänderungen. Auf meinen Einwand hin, dass die Expresssendung laut Tracking seit 7.45 Uhr im deutschen Zustellfahrzeug sei, kommt nur ein akustisches Schulterzucken. Ich liebe international arbeitende Konzerne und Dienstleister, die von überall auf die gleiche Datenbank zugreifen und trotzdem nichts machen können, wenn man nur drei Meter neben dem falschen Land steht.
GLS Dänemark ist im Gegensatz dazu tatsächlich eine große Hilfe. Innerhalb von wenigen Minuten ändert die freundliche Servicekraft den Straßennamen und die Hausnummer, und tatsächlich wird der Schlüssel im Laufe des Tages nach knapp zwei Tagen Laufzeit an die richtige Adresse zugestellt. Hurra! Denn das Glück ist mit den Dänen und denen, denen Dänen nahestehen!
Da der Tag wegen des Anrufs recht zeitig beginnt, fallen wir auch entsprechend zeitig an den Frühstückstisch und beschließen, heute Schloss Egeskov zu besuchen. Dieses ist noch in Privatbesitz und von einem verhältnismäßig großen (nach Stowe im letzten Jahr bin ich dahingehend ein wenig verdorben) Park umgeben. (Der Eintrittspreis von 30 EUR/Person ist nicht ohne. Aber irgendwie muss die adelige Familie ja den Besitz erhalten können.) Dieser Park lädt in der Tat zu einem lauschigen Rundgang durch Duft- und Kräutergärten, Hecken und Baumreihen rund um das malerisch gelegene eigentliche Wasserschloss ein. Ich habe schon lange nicht mehr so viele Bienen herumschwirren sehen! Und ich meine, verschiedene Bienenrassen gesehen zu haben. Einige Hummeln waren auch zugange. Wir vertreiben uns die Zeit, besichtigen um und im Schloss alles, was es zu besichtigen gibt (fast war ich versucht zu fragen, wo denn der Keller mit den eingemauerten adeligen „Quertreibern“ ist, aber das hätte das Personal vielleicht verunsichert 😉 ) und sammeln am Ende nebst einigen Fotos der Gärtnerkatzenfamilie (rot getigerter Papa, grau getigerte Mama, schwarzer Nachwuchs) noch eine Geranie ein, deren Blätter nach dem Rubbeln nach Schoko-Minze riechen. Es hätte auch Zitrus‑, Eukalyptus- und andere Duftzüchtungen gegeben, aber wir lieben nun einmal Schokolade. Und der beste Ehemann der Welt musste mich fast mit Gewalt von den Katzen wegzerren. Ich hätte ewig im Garten dabeisitzen können! Nur gut, dass wir sie erst zum Ende des Tages getroffen haben, sonst hätte ich von Park und Garten nichts gesehen 😉
Bei den Ausstellungsstücken im Schloss war der Fokus oft auf Jagd und Waffen gerichtet. Bizarr für mich war daran, dass der derzeitige Schlossherr der Meinung ist, dass auch der Adelige des 21 Jh. eine Duellwaffe besitzen muss. Gesagt getan! Allerdings konnte sich auf Grund der Waffengesetze in Dänemark nur eine Luftdruckwaffe zulegen. Naja, wenigstens sind die Handschuhe und der Siegelring dazu authentisch 😉 Ach ja: Das Grafenpaar darf übrigens in den eigenen Wäldern mit Pfeil und Bogen auf die Jagd gehen. Was die beiden auch tun. Sehr angenehm und äußerst gegensätzlich dazu war dann die Sammlung von alten Küchenutensilien mechanischem Spielzeug im Dachboden den Schlosses. Und hier wurde der beste Ehemann der Welt auch „Opfer“ der Kinderfreundlichkeit der Dänen: Er – Herr H. – steht an einem der Dachfenster, um ein Foto vom Park zu machen. Ein Däne schiebt seine Kinder vor ihn, damit sie etwas sehen können. Jetzt ist das Motiv zwar verdeckt, aber die Kinder sind glücklich. Nun ist Herr H. eine Persönlichkeit, die nicht zu übersehen ist und auch sein Vorhaben war klar erkennbar. Aber wenn die lieben Kleinen nun mal unbedingt und sofort ans Fenster müssen … Dass sich dann noch eine voluminöse Frau vor die Kameralinse geschoben hat, ist im Kinderkontext nicht logisch, aber dennoch passiert.