Nachdem wir 2021 coronabedingt nicht auf den Darß reisen durften, sind Sehnsucht und Vorfreude dieses Jahr dementsprechend hoch. Die Tage vor der Abreise ziehen sich, aber am 5. März geht es endlich los.
Die hohen Benzinpreise im Hinterkopf, fahre ich spritsparend, weshalb sich die Reisezeit hin- wie rückzu um eine Viertelstunde erhöht.
Mittlerweile gibt es in Ahrenshoop-Niehagen für mich LTE und im Ferienhaus schnelles WLAN – die internetfreien Jahre sind auch hier endgültig vorbei. Allerdings reißt uns das gar nicht aus unserer Darß-Routine – Spaziergänge und Bücher dominieren die Urlaubszeit immernoch ganz eindeutig!
Quartierkatze Flitzi sehen wir wieder nur bruchstückhaft, die Katzenzahl dieses Jahr ist insgesamt sehr gering. Und: nirgendwo ein Wildschwein.
5. März:
Anreise
Das Auto ist Viertel nach 10 Uhr beladen und abfahrbereit, völlig unterbrechungsfrei kommen wir kurz nach 14.30 Uhr am Ferienhaus an. Der versprochene Sonnenschein ist wohl im Kurzurlaub; es graut und windet.
Macht aba nüscht! Auto ausräumen, kurze Kuchenpause, dann geht es ab ans Hohe Ufer, von dem die Natur in den letzten zwei Jahren und ganz besonders kräftig wohl vor zwei Wochen abgebissen hat. Vor der Steilküste und neben dem neu angelegten Weg steht jetzt eine Absperrung, der alte NVA-Bunker hängt schon mächtig im Freien, und der alte Rad- und Wanderweg ist jetzt größtenteils nur noch weg.
Wir latschen die Fünf-Kilometer-Standardrunde auf der Steilküste zum Aufgang Wustrow 1, von dort dann am Strand zur Seebrücke und oben auf der Steilküste wieder zurück nach Niehagen. Noch flink Urlaubsstartpasta kochen und verdrücken, und hernach werden die Köpfe in die Bücher gesteckt.
6. März:
Rundgang um Ahrenshoop
Ha! Blauer Himmel! Keine Wolke! Kalt! Und das soll für den Rest des Urlaubs so bleiben.
Wir gehen es wie immer entspannt an und schauen nach, ob Althagen noch steht. Am Bodden entlang geht es kurz vorm Funkmast auf die andere Seite der Straße und dann am Strand sowie nach einem kurzen Abstecher unterhalb der Steilküste (nein, man kommt unten heute nicht nach Niehagen durch) oberhalb zurück nach Niehagen. Zwischendurch buchen wir noch unseren Abschiedsessentisch im Strandläufer, denn auch dort ist die Zahl der Sitzplätze coronabedingt ausgedünnt und rät zu zeitigem Reservieren.
Insgesamt werden es achteinhalb Kilometer Spaziergang. Langsam werden wir warm.
Da unserem Ferienhausvermieter in letzter Zeit etliche Fernseher in den Ferienwohnungen und ‑häusern verstorben sind, hat er uns notgedrungen einen seiner privaten hingestellt. Der hat allerdings 48 Zoll Diagonale, was bei 2 Meter Abstand (ich im Sessel) bzw. 3 Meter (Frau R. auf der Couch) ganz schön gewaltig ist und in keinem Verhältnis zur Raumgröße steht. Wir lenken uns davon mit Büchern ab, was sonst …
7. März:
Am Bodden entlang nach Wustrow
Blauer Himmel. Natürlich. Und kalt. Zumindest im Schatten. Und keine Wolke weit und breit. Dafür etliche Touristen mehr als noch vor zwei Jahren, und vor allem viele, viele Fahrräder. Entkommen können wir dem nur mit einem Rundgang nach Wustrow am Bodden entlang. Dort ist niemand außer uns, was wir ganz angenehm finden. Fotografisch gibt das Wetter wenig her, vor allem nichts, was ich nicht schon vor zwei Jahren erledigt hatte. Langweilig! Schönes Wetter im Urlaub, pfff!
Wir laufen an einem Schild vorbei: „Ferien bei Bauer Hartmann“, geflankt von einem Logo mit einem pflügenden Landmann. Ehrlich? Wir wollen um Urlaub nicht pflügen, weder als Pflügende noch als Ersatz fürs Pferd.
Das nach etlichen Jahren Bauzeit mittlerweile fertiggestellte Gebäudeensemble rund um die Alte Seefahrtsschule in Wustrow ist so hässlich und tot, wie es überteuerte Ferienbunker im Winter auf dem Darß nur sein können. Dazu gibt es zwar jede Menge Parkplätze für die Ferienwohnungsbewohner, aber keine einzige Ladesäule für E‑PKW oder auch nur E‑Bikes. Wer auch immer die seelenlosen Wohnklumpen dort geplant und ausgeführt hat: viel Glück damit!
Kurz vor der Seebrücke das nächste lustige Schild: „Frische Waffeln am Kino“. Wer macht denn sowas, die bekommt man doch nur schlecht wieder ab!
Ja, Sonne macht albern. Am Ostseestrand entspannen wir uns wieder und latschen zurück nach Niehagen, gucken uns den überhängenden Bunker nochmal von unten an und finden austretende Betriebsstoffe in der Steilküste.
Heutiger Fußmarsch: zehn Kilometer.
Am Abend bekommen wir einen nagelneuen Fernseher gebracht, der mit 32 Zoll Diagonale wesentlich besser in die Räumlichkeiten passt; außerdem hat er AmbiLight. Wir bleiben trotzdem bei unseren Büchern!
8. März:
Weststrand
Frohgelaunt stellen wir das Auto auf den Parkplatz Drei Eichen. Etwas weniger gut gelaunt sind wir, weil die Parkgebühren für den selben alten, beuligen Schlammplatz jetzt 5 € statt 3 € fürs Tagesticket betragen. Zur Erinnerung: 2009 konnte man mit Kurkarte noch überall in Ahrenshoop kostenlos parken.
Die Stimmung sinkt noch etwas tiefer, als wir am Beginn des Wegs zum Strand Schilder finden, welche uns verkünden, dass die naheliegendsten Strandaufgänge derzeit geschlossen sind. Aber gut, dann geht es eben ein Stück weiter in den Wald, umparken werden wir jetzt nicht mehr.
Der Müllergraben-Wasserabfluss aus dem Naturschutzgebiet, welcher uns 2020 den Weg versperrt hat, ist dieses Jahr nicht so breit, und außerdem hat jemand ein dünnes Brett als Brücke drübergelegt. Frau R. schafft es gazellengleich problemlos ans andere Ufer – unter mir macht es „knacks“, und dann ist das rechte Bein bis um Knie im Wasser. Was soll’s – selbstgewähltes Schicksal.
Ich wringe die Socke aus, trockne den Fuß und entwässere den Schuh, und nach einer kurzen Pause geht es weiter in Richtung Darßer Ort.
Aus purer Freude darüber, das Wasserabenteuer überlebt zu haben, trudeln wir am Strand ungefähr sechs Kilometer kontrolllos bis zum Aufgang Mittelweg – wo uns dann auffällt, dass wir ja wieder zurück zum Auto latschen müssen. Was entweder nochmal sechs Kilometer durch Strandsand oder zehn Kilometer über festere Waldwege bedeutet. Wir wählen den Weg im Schatten.
An der Kreuzung Mittelweg steht ein Schild „Drei Eichen 7,9 km“. Nunja, auf denn. Taxi und Bus gibbet hier nicht, im Winter noch nicht einmal eine Kutsche.
Acht Fußminuten in Normalgeschwindigkeit weiter folgt an der nächsten Kreuzung ein Schild „Drei Eichen 6,7 km“. Was? Wir sind 1,2 Kilometer in acht Minuten gelaufen? Holla!
Weitere acht Fußminuten in Normaltempo, dann ein nächstes Schild: „Drei Eichen 6,4 km“. So langsam wird es albern.
Am Ende schaffen wir die (angeblich) 7,9 Kilometer in einer Stunde und 25 Minuten. Insgesamt sind es 16 Kilometer geworden. Die Beine murmeln irgendwas von Übersäuerung und Streik. Was soll’s, gleich gibt’s Aufbaukuchen!
(Nachträglich betrachtet hätten wir von der Kreuzung Mittelweg auch einfach die 4,5 Kilometer bis nach Prerow laufen und von dort den Bus nach Drei Eichen nehmen können. Aber nach ein paar Stunden in der prallen Sonne ohne Wolken macht der Kopf eben mal Pause …)
9. März:
Bodden
Blauer Himmel. Und kalt. Und so weiter.
Den gestrigen Tag noch im Kopf und in den Beinen, wollen wir es heute schonender angehen. Wir latschen am Bodden entlang und diesmal nicht zurück nach Althagen, sondern erstmal weiter in Richtung Born. Wir wollen nämlich mal schauen, ob und wie man ins Ahrenshooper Holz hineinkommt, einem kleinen Stück Naturschutzgebiet, welches das europaweit größte zusammenhängende Vorkommen an Stechpalmen beherbergt sowie eventuell Ort des seltsamen, nie geklärten Verschwindens des Malers Alfred Partikel ist.
Um es kurz zu machen: Von der Boddenseite führt kein Weg hinein, zumindest nicht legal. Und wir sind ja gut erzogen.
Völlig legal halten sich allerdings abertausende Migranten aus dem Süden neben uns auf, denn ein riesiger Geflügelschwarm besetzt Teile der Äcker zwischen Ahrenshooper Holz und Bodden. So viele, dass von dem Schwarm ein unterschwelliges Brummen ausgeht, welches in der Wirkung nur noch übertroffen wird, als der ganze Schwarm mit einem Mal startet und ein paar Hundert Meter weiterzieht. Das ist ein echtes optisches und akustisches Schauspiel!
Nach dann doch wieder knapp 10 Kilometern Spaziergang, einem Bücher-und-Postkarten-Kurzeinkauf in der Bunten Stube und einem Kuchentankstopp in der Mühle Ahrenshoop kommen wir wieder in unseren Lesemöbeln an.
10. März:
Darßer Ort
Blauer Himmel. Fast keine Wolken. Angeblich der wärmste Tag der Woche. Jedenfalls wenn man nicht gerade am Darßer Ort ist.
Wo wir allerdings sind, jedoch aus freien Stücken und warm eingepackt. Denn die traditionelle Route Prerow – Wald – Darßer Ort – Nordstrand – Prerow will abgelaufen werden.
Auch der Parkplatz am Ende von Prerow kurz vorm Zeltplatz passt sich dem Darßer Zeitgeist an: Es gibt gar kein Kurzzeitparken mehr, nur noch Tageskarte. Für schlappe 7,50 EUR, und die für immernoch den selben Matsch- bzw. Staubplatz mit achsbrechend tiefen Löchern, an dem seit 2009 wahrscheinlich nichts getan wurde außer das Absperren der schlimmsten Fallgruben im Winter und eben das ständige Anheben der Gebühren. 2009 haben wir meiner Erinnerung nach noch kostenlos dort gestanden, später waren es 3 EUR pro Tag. Aber gut, von irgendwas muss auch Prerow leben.
Wir stapfen trotzdem fröhlich durch Wald und Sand und finden am Ende der Tour auch noch ganz entspannt einen Platz in der Teeschale, wo es Schokokäsekuchen für mich, eine Kirschsahnetart für Frau R. sowie Heißgetränke für uns beide gibt.
Bämm, wieder 13 Kilometer geschafft, die Hälfte davon am Strand bei steifem Gegenwind aus Nordost. Autschn.
11. März:
Hohes Ufer und Ahrenshoop
Sonne. Blauer Himmel. Fast keine Wolke. Und kalt. Mit fiesem Wind, heute ablandig.
Wir starten den letzten Spaziergang für diesen Urlaub, aber diesmal wirklich nur einen kurzen. Nur sechs Kilometer. Mehr muss nicht mehr. Hohes Ufer, am Wellenbrecher an den Strand, an der Kurverwaltung wieder in den Ort, an der Mühle vorbei, beim Haus Anna wieder auf die Althäger Straße, schräg runter zum Bodden und dann komplett durchgepustet zurück ins Ferienhaus.
Abends schlemmen wir wie besprochen im Strandläufer. Und das war der Darßurlaub 2022.
12. März:
Abreise
Abfahrt in Niehagen gegen 10.15 Uhr, Ankunft in Dresden 14.33 Uhr. Schmidts befreien, Nudeln essen, Feierabend.