Darß 2022

Nach­dem wir 2021 coro­nabe­dingt nicht auf den Darß rei­sen durf­ten, sind Sehn­sucht und Vor­freude die­ses Jahr dem­entspre­chend hoch. Die Tage vor der Abreise zie­hen sich, aber am 5. März geht es end­lich los.

Die hohen Ben­zin­preise im Hin­ter­kopf, fahre ich sprit­spa­rend, wes­halb sich die Rei­se­zeit hin- wie rückzu um eine Vier­tel­stunde erhöht.

Mitt­ler­weile gibt es in Ahren­shoop-Nie­ha­gen für mich LTE und im Feri­en­haus schnel­les WLAN – die inter­net­freien Jahre sind auch hier end­gül­tig vor­bei. Aller­dings reißt uns das gar nicht aus unse­rer Darß-Rou­tine – Spa­zier­gänge und Bücher domi­nie­ren die Urlaubs­zeit immer­noch ganz eindeutig!

Quar­tier­katze Flitzi sehen wir wie­der nur bruch­stück­haft, die Kat­zen­zahl die­ses Jahr ist ins­ge­samt sehr gering. Und: nir­gendwo ein Wildschwein.

5. März:
Anreise

Das Auto ist Vier­tel nach 10 Uhr bela­den und abfahr­be­reit, völ­lig unter­bre­chungs­frei kom­men wir kurz nach 14.30 Uhr am Feri­en­haus an. Der ver­spro­chene Son­nen­schein ist wohl im Kurz­ur­laub; es graut und windet.

Macht aba nüscht! Auto aus­räu­men, kurze Kuchen­pause, dann geht es ab ans Hohe Ufer, von dem die Natur in den letz­ten zwei Jah­ren und ganz beson­ders kräf­tig wohl vor zwei Wochen abge­bis­sen hat. Vor der Steil­küste und neben dem neu ange­leg­ten Weg steht jetzt eine Absper­rung, der alte NVA-Bun­ker hängt schon mäch­tig im Freien, und der alte Rad- und Wan­der­weg ist jetzt größ­ten­teils nur noch weg.

Wir lat­schen die Fünf-Kilo­me­ter-Stan­dard­runde auf der Steil­küste zum Auf­gang Wus­trow 1, von dort dann am Strand zur See­brü­cke und oben auf der Steil­küste wie­der zurück nach Nie­ha­gen. Noch flink Urlaubs­start­pasta kochen und ver­drü­cken, und her­nach wer­den die Köpfe in die Bücher gesteckt.

6. März:
Rundgang um Ahrenshoop

Ha! Blauer Him­mel! Keine Wolke! Kalt! Und das soll für den Rest des Urlaubs so bleiben.

Wir gehen es wie immer ent­spannt an und schauen nach, ob Alt­ha­gen noch steht. Am Bod­den ent­lang geht es kurz vorm Funk­mast auf die andere Seite der Straße und dann am Strand sowie nach einem kur­zen Abste­cher unter­halb der Steil­küste (nein, man kommt unten heute nicht nach Nie­ha­gen durch) ober­halb zurück nach Nie­ha­gen. Zwi­schen­durch buchen wir noch unse­ren Abschieds­es­sen­tisch im Strand­läu­fer, denn auch dort ist die Zahl der Sitz­plätze coro­nabe­dingt aus­ge­dünnt und rät zu zei­ti­gem Reservieren.

Ins­ge­samt wer­den es acht­ein­halb Kilo­me­ter Spa­zier­gang. Lang­sam wer­den wir warm.

Da unse­rem Feri­en­haus­ver­mie­ter in letz­ter Zeit etli­che Fern­se­her in den Feri­en­woh­nun­gen und ‑häu­sern ver­stor­ben sind, hat er uns not­ge­drun­gen einen sei­ner pri­va­ten hin­ge­stellt. Der hat aller­dings 48 Zoll Dia­go­nale, was bei 2 Meter Abstand (ich im Ses­sel) bzw. 3 Meter (Frau R. auf der Couch) ganz schön gewal­tig ist und in kei­nem Ver­hält­nis zur Raum­größe steht. Wir len­ken uns davon mit Büchern ab, was sonst …

7. März:
Am Bodden entlang nach Wustrow

Blauer Him­mel. Natür­lich. Und kalt. Zumin­dest im Schat­ten. Und keine Wolke weit und breit. Dafür etli­che Tou­ris­ten mehr als noch vor zwei Jah­ren, und vor allem viele, viele Fahr­rä­der. Ent­kom­men kön­nen wir dem nur mit einem Rund­gang nach Wus­trow am Bod­den ent­lang. Dort ist nie­mand außer uns, was wir ganz ange­nehm fin­den. Foto­gra­fisch gibt das Wet­ter wenig her, vor allem nichts, was ich nicht schon vor zwei Jah­ren erle­digt hatte. Lang­wei­lig! Schö­nes Wet­ter im Urlaub, pfff!

Wir lau­fen an einem Schild vor­bei: „Ferien bei Bauer Hart­mann“, geflankt von einem Logo mit einem pflü­gen­den Land­mann. Ehr­lich? Wir wol­len um Urlaub nicht pflü­gen, weder als Pflü­gende noch als Ersatz fürs Pferd.

Das nach etli­chen Jah­ren Bau­zeit mitt­ler­weile fer­tig­ge­stellte Gebäu­de­en­sem­ble rund um die Alte See­fahrts­schule in Wus­trow ist so häss­lich und tot, wie es über­teu­erte Feri­en­bun­ker im Win­ter auf dem Darß nur sein kön­nen. Dazu gibt es zwar jede Menge Park­plätze für die Feri­en­woh­nungs­be­woh­ner, aber keine ein­zige Lade­säule für E‑PKW oder auch nur E‑Bikes. Wer auch immer die see­len­lo­sen Wohn­klum­pen dort geplant und aus­ge­führt hat: viel Glück damit!

Kurz vor der See­brü­cke das nächste lus­tige Schild: „Fri­sche Waf­feln am Kino“. Wer macht denn sowas, die bekommt man doch nur schlecht wie­der ab!

Ja, Sonne macht albern. Am Ost­see­strand ent­span­nen wir uns wie­der und lat­schen zurück nach Nie­ha­gen, gucken uns den über­hän­gen­den Bun­ker noch­mal von unten an und fin­den aus­tre­tende Betriebs­stoffe in der Steilküste.

Heu­ti­ger Fuß­marsch: zehn Kilometer.

Am Abend bekom­men wir einen nagel­neuen Fern­se­her gebracht, der mit 32 Zoll Dia­go­nale wesent­lich bes­ser in die Räum­lich­kei­ten passt; außer­dem hat er Ambi­Light. Wir blei­ben trotz­dem bei unse­ren Büchern!

8. März:
Weststrand

Froh­ge­launt stel­len wir das Auto auf den Park­platz Drei Eichen. Etwas weni­ger gut gelaunt sind wir, weil die Park­ge­büh­ren für den sel­ben alten, beu­li­gen Schlamm­platz jetzt 5 € statt 3 € fürs Tages­ti­cket betra­gen. Zur Erin­ne­rung: 2009 konnte man mit Kur­karte noch über­all in Ahren­shoop kos­ten­los parken.

Die Stim­mung sinkt noch etwas tie­fer, als wir am Beginn des Wegs zum Strand Schil­der fin­den, wel­che uns ver­kün­den, dass die nahe­lie­gends­ten Strand­auf­gänge der­zeit geschlos­sen sind. Aber gut, dann geht es eben ein Stück wei­ter in den Wald, umpar­ken wer­den wir jetzt nicht mehr.

Der Mül­ler­gra­ben-Was­ser­ab­fluss aus dem Natur­schutz­ge­biet, wel­cher uns 2020 den Weg ver­sperrt hat, ist die­ses Jahr nicht so breit, und außer­dem hat jemand ein dün­nes Brett als Brü­cke drü­ber­ge­legt. Frau R. schafft es gazel­len­gleich pro­blem­los ans andere Ufer – unter mir macht es „knacks“, und dann ist das rechte Bein bis um Knie im Was­ser. Was soll’s – selbst­ge­wähl­tes Schicksal.

Ich wringe die Socke aus, trockne den Fuß und ent­wäs­sere den Schuh, und nach einer kur­zen Pause geht es wei­ter in Rich­tung Dar­ßer Ort.

Aus purer Freude dar­über, das Was­ser­aben­teuer über­lebt zu haben, tru­deln wir am Strand unge­fähr sechs Kilo­me­ter kon­troll­los bis zum Auf­gang Mit­tel­weg – wo uns dann auf­fällt, dass wir ja wie­der zurück zum Auto lat­schen müs­sen. Was ent­we­der noch­mal sechs Kilo­me­ter durch Strand­sand oder zehn Kilo­me­ter über fes­tere Wald­wege bedeu­tet. Wir wäh­len den Weg im Schatten.

An der Kreu­zung Mit­tel­weg steht ein Schild „Drei Eichen 7,9 km“. Nunja, auf denn. Taxi und Bus gib­bet hier nicht, im Win­ter noch nicht ein­mal eine Kutsche.

Acht Fuß­mi­nu­ten in Nor­mal­ge­schwin­dig­keit wei­ter folgt an der nächs­ten Kreu­zung ein Schild „Drei Eichen 6,7 km“. Was? Wir sind 1,2 Kilo­me­ter in acht Minu­ten gelau­fen? Holla!

Wei­tere acht Fuß­mi­nu­ten in Nor­mal­tempo, dann ein nächs­tes Schild: „Drei Eichen 6,4 km“. So lang­sam wird es albern.

Am Ende schaf­fen wir die (angeb­lich) 7,9 Kilo­me­ter in einer Stunde und 25 Minu­ten. Ins­ge­samt sind es 16 Kilo­me­ter gewor­den. Die Beine mur­meln irgend­was von Über­säue­rung und Streik. Was soll’s, gleich gibt’s Aufbaukuchen!

(Nach­träg­lich betrach­tet hät­ten wir von der Kreu­zung Mit­tel­weg auch ein­fach die 4,5 Kilo­me­ter bis nach Pre­row lau­fen und von dort den Bus nach Drei Eichen neh­men kön­nen. Aber nach ein paar Stun­den in der pral­len Sonne ohne Wol­ken macht der Kopf eben mal Pause …)

9. März:
Bodden

Blauer Him­mel. Und kalt. Und so weiter.

Den gest­ri­gen Tag noch im Kopf und in den Bei­nen, wol­len wir es heute scho­nen­der ange­hen. Wir lat­schen am Bod­den ent­lang und dies­mal nicht zurück nach Alt­ha­gen, son­dern erst­mal wei­ter in Rich­tung Born. Wir wol­len näm­lich mal schauen, ob und wie man ins Ahren­sho­o­per Holz hin­ein­kommt, einem klei­nen Stück Natur­schutz­ge­biet, wel­ches das euro­pa­weit größte zusam­men­hän­gende Vor­kom­men an Stech­pal­men beher­bergt sowie even­tu­ell Ort des selt­sa­men, nie geklär­ten Ver­schwin­dens des Malers Alfred Par­ti­kel ist.

Um es kurz zu machen: Von der Bod­den­seite führt kein Weg hin­ein, zumin­dest nicht legal. Und wir sind ja gut erzogen.

Völ­lig legal hal­ten sich aller­dings aber­tau­sende Migran­ten aus dem Süden neben uns auf, denn ein rie­si­ger Geflü­gel­schwarm besetzt Teile der Äcker zwi­schen Ahren­sho­o­per Holz und Bod­den. So viele, dass von dem Schwarm ein unter­schwel­li­ges Brum­men aus­geht, wel­ches in der Wir­kung nur noch über­trof­fen wird, als der ganze Schwarm mit einem Mal star­tet und ein paar Hun­dert Meter wei­ter­zieht. Das ist ein ech­tes opti­sches und akus­ti­sches Schauspiel!

Nach dann doch wie­der knapp 10 Kilo­me­tern Spa­zier­gang, einem Bücher-und-Post­kar­ten-Kurz­ein­kauf in der Bun­ten Stube und einem Kuchen­tank­stopp in der Mühle Ahren­shoop kom­men wir wie­der in unse­ren Lese­mö­beln an.

10. März:
Darßer Ort

Blauer Him­mel. Fast keine Wol­ken. Angeb­lich der wärmste Tag der Woche. Jeden­falls wenn man nicht gerade am Dar­ßer Ort ist.

Wo wir aller­dings sind, jedoch aus freien Stü­cken und warm ein­ge­packt. Denn die tra­di­tio­nelle Route Pre­row – Wald – Dar­ßer Ort – Nord­strand – Pre­row will abge­lau­fen werden.

Auch der Park­platz am Ende von Pre­row kurz vorm Zelt­platz passt sich dem Dar­ßer Zeit­geist an: Es gibt gar kein Kurz­zeit­parken mehr, nur noch Tages­karte. Für schlappe 7,50 EUR, und die für immer­noch den sel­ben Matsch- bzw. Staub­platz mit achs­bre­chend tie­fen Löchern, an dem seit 2009 wahr­schein­lich nichts getan wurde außer das Absper­ren der schlimms­ten Fall­gru­ben im Win­ter und eben das stän­dige Anhe­ben der Gebüh­ren. 2009 haben wir mei­ner Erin­ne­rung nach noch kos­ten­los dort gestan­den, spä­ter waren es 3 EUR pro Tag. Aber gut, von irgend­was muss auch Pre­row leben.

Wir stap­fen trotz­dem fröh­lich durch Wald und Sand und fin­den am Ende der Tour auch noch ganz ent­spannt einen Platz in der Tee­schale, wo es Scho­ko­kä­se­ku­chen für mich, eine Kirsch­sah­n­et­art für Frau R. sowie Heiß­ge­tränke für uns beide gibt.

Bämm, wie­der 13 Kilo­me­ter geschafft, die Hälfte davon am Strand bei stei­fem Gegen­wind aus Nord­ost. Autschn.

11. März:
Hohes Ufer und Ahrenshoop

Sonne. Blauer Him­mel. Fast keine Wolke. Und kalt. Mit fie­sem Wind, heute ablandig.

Wir star­ten den letz­ten Spa­zier­gang für die­sen Urlaub, aber dies­mal wirk­lich nur einen kur­zen. Nur sechs Kilo­me­ter. Mehr muss nicht mehr. Hohes Ufer, am Wel­len­bre­cher an den Strand, an der Kur­ver­wal­tung wie­der in den Ort, an der Mühle vor­bei, beim Haus Anna wie­der auf die Alt­hä­ger Straße, schräg run­ter zum Bod­den und dann kom­plett durch­ge­pus­tet zurück ins Ferienhaus.

Abends schlem­men wir wie bespro­chen im Strand­läu­fer. Und das war der Dar­ßur­laub 2022.

12. März:
Abreise

Abfahrt in Nie­ha­gen gegen 10.15 Uhr, Ankunft in Dres­den 14.33 Uhr. Schmidts befreien, Nudeln essen, Feierabend.

Was Du siehst, gefällt Dir? Bitte weitersagen: