Mittwoch, 16. August:
Quainton und Totternhoe Knolls
Es ist ein bisschen wolkig und ein bisschen windig. Der Wecker bleibt auch aus, und deshalb fangen wir ein bisschen später als üblich an, Pläne für den Tag zu schmieden. Großartige Touren sollen es heute nicht werden; ich möchte ein paar Plätze in der Gegend ansteuern, die interessant sein könnten.
Der erste Teil des Ausflugs bringt uns nach Quainton, ein Dorf ca. zehn Autominuten von North Marston entfernt. Eigentlich unspektakulär, gibt es dort eine alte Windmühle und das Buckingham Railway Museum, welches in einer Folge von „Midsomer Murders“ auch Drehort war.
Allerdings ist dort heute Steaming Day, was einen Eintrittspreis zur Folge hat, welcher uns als nicht so große Eisenbahnfans dann doch sofort umdrehen lässt. Am schönsten war allerdings das Gesicht des jungen Straßenbauarbeiters, den Herr H. wegen der gesperrten Straße und der deshalb nicht möglichen Route nach „Frau Prof. Inge“ nach dem Weg zum Eisenbahnmuseum gefragt hat! So erschrocken möchte ich auch aussehen, wenn mich in Dresden jemand z. B. nach dem einfachsten Weg zur Fußnägelsammlung fragt 😉 Wir fahren deshalb weiter zur Ortsmitte in freudiger Erwartung der Windmühle. Und wir finden sie sofort und erkennen: Hurra, das Dach und die Flügel fehlen. Die Mühle wird seit 2016 restauriert, derzeit schraubt man am Boden die neue Haube zusammen. Toll. Aber eben auch irgendwie unbefriedigend, wenn man sich eine vollständige Windmühle anschauen möchte. Wenigstens konnten wir uns ein Foto von dem großen Tag ansehen, an dem der neue Aufsatz mit Windrad geliefert wurde. Das Dorf wird noch in Jahrhunderten davon sprechen … Also von dem Tag der Anlieferung; nicht von unserem Besuch!
Noch eine Runde um den Dorfanger, dann zurück zum Auto und ab zu Teil Zwei des Tages: Leighton Buzzard. Ein kleines Städtchen, von dem wir – und auch Pete – behaupten: Man muss es nicht gesehen haben. Die geballte Geschichte besteht aus sechs oder sieben alten Gebäuden im Zentrum eines zwar recht belebten, aber auch ein wenig verlebten Ortes. Und das einzige für uns interessante Bauwerk, nämlich die Kirche, ist diese Woche geschlossen.
Eine halbe Stunde später und ein Pfund Parkgebühren ärmer (aber immerhin in einem Parkhaus, das bei der Einfahrt das Nummernschild eines Autos scannt, später daraus die Parkzeit und den Betrag kalkuliert und beim Ausfahren mit einem weiteren Scan kontrolliert, ob man auch bezahlt hat; wir sind erst einmal ungläubig wieder raus gefahren, haben uns der Technik versichert und haben dann mutig geparkt) überrede ich Frau R. zu einem Abstecher nach Totternhoe und dem dort in der Nähe liegenden alten Kalksteinbruch „Totternhoe Knolls“, in welchem u. a. die Blöcke für die Londoner Westminster Abbey gebrochen wurden.
Das Gelände ist heute wegen einiger seltener Orchideenarten und der dort ansässigen, ebenfalls seltenen blauen Taube ein Naturschutzgebiet. Man soll auch Bescheid geben, wann und wo man diese Taube gesehen hat. Wahrscheinlich wissen die Naturschützer selbst nicht so genau, ob der Vogel wirklich existiert. Wir jedenfalls haben ihn nicht gesehen, obwohl sich uns unzählige Tauben in den Weg gestellt (ja, und zwar auf der Straße!) haben. Um so erstaunter sind wir, dass wir nicht nur von einem Autowrack begrüßt werden, sondern später mitten in einem kleinen Tal auch noch eine Motorradruine sichten. Aber der Rest des kleinen Rundwegs von reichlich einer Stunde ist doch ganz unterhaltsam, zumal wir noch Graham Forbes, einen Falkner aus Dunstable, treffen, der gerade einen erst wenige Monate alten Wanderfalken über der offenen Landschaft trainiert. Und wir werden von einer Frau angesprochen, die fragt, woher wir kommen. Sie ist ganz glücklich, dass wir aus Deutschland sind, denn sie wäre in Hameln geboren. Und sie LIEBT Deutschland, hasst aber England und ist nur noch hier zum Geld verdienen. Auf mich macht sie den typisch zufriedenen Eindruck einer Engländerin aus dem Prekariat: Krasses Outfit, Freund mit hässlichen Tätowierungen, 3 Accessoire-Hunde, die nicht hören und 1 Kampfhund, der allerdings gut erzogen ist. Ich hoffe, ihr Freund hat die Äußerung mit dem Englandhass nicht verstanden. Sonst gibt’s einen vorgezogenen Brexit 😉
Kurz nach 16 Uhr geht es zurück in Richtung Häuschen, wo wir bei leichtem Wind noch etwas die Terrasse nutzen, bevor der „Pilgrim“ ruft. Bzw. eben nicht ruft, denn ausgerechnet heute ist kein einziger Tisch frei. Der legendäre Burger muss also weiter warten.
Zu Hause wird es dann doch zu frisch für entspanntes Lesen im Außengehege, weshalb wir uns in unseren Urlaubsstall zurückziehen. Außerdem sind seit heute noch zwei Hunde auf dem Grundstück zu Gast, was die Katzen und Hasen absolut unzumutbar finden …
Rachel und Pete sind übrigens noch nie in den Totternhoe Knolls gewesen. Wir empfehlen ihnen einen Besuch. Das führt bei Pete zu einem etwas ungläubigen Gesichtsausdruck, was – wie sich allerdings erst ein paar Tage später herausstellt – auf eine Verwechslung zurückzuführen ist: In Milton Keynes gibt es einen Stadtteil Tattenhoe. Und hier in der Gegend werden viele von einem Doppelkonsonanten gefolgte „a“ in der ersten Silbe eher als kurzes „o“ gesprochen – aus „Tattenhoe“ wird gesprochen also ein „Tottnhoh“ („Waddesdon Manor“ wird zu „Woddsdn Männor“, „Haddenham“ zu „Hoddnhämm“ usw.), was verdammt nah dran an „Tottrnhoh“ ist. Geografisch gesehen macht das kleine, unscheinbare „r“ einen riesigen Unterschied; und Tattenhoe ist wirklich keinen Ausflug wert … 🙂 Merke: sorgfältige Aussprache ist alles!