Dienstag, 13. August:
Gelnhausen
Der Ort Gelnhausen steht auf unserer Agenda eigentlich eher als Einkaufs-Zwischenhalt, weil Google dort eine geballte Menge an Supermärkten, Bäckern, Drogeriemärkten u. a. meldet. Bei eingehender Literatur stellen wir fest, dass es dort auch noch eine schöne alte Innenstadt sowie eine Kaiserpfalz aus Barbarossas Zeiten geben soll.
Das alles gibt es tatsächlich, und vor allem gibt es: Hanglage. Ungefähr so wie Gerolstein, nur alles an einer Hangseite, zumindest was die Altstadt betrifft. Die lässt sich, wenn man die 50 Grad im Schatten und die 3 Liter Wasserverlust pro Stunde durch die Poren ignoriert, wirklich gut durchlaufen. Man findet zum Beispiel eine Kirche, die erst eine Kirche war, später zur Tabakfabrik wurde – und dann wieder zur Kirche. Man findet auch das Geburtshaus von Grimmelshausen – spielt der „Simplicissimus“ heute im Deutschunterricht noch eine Rolle?
Wenn‘s nicht so heiß gewesen wäre, hätte ich die Stadt mehrmals durchlaufen können, so sehr war ich von ihr angetan. War aber vielleicht auch gut so, dass wir das nicht getan haben, denn sonst wären wir der Fachwerkhäuser vielleicht überdrüssig geworden.
Irgendwann fängt es an, gewitterig zu grollen, und die Kaiserpfalz sollte zum Schluss zügig besucht werden. Wir werden um 15 Uhr mit einem „Oh, kommt also doch noch jemand!“ von der Dame an der Kasse begrüßt. Auf die Frage, ob wir heute etwa die ersten Besucher wären, ist die Antwort „Nein, gegen 10 Uhr waren schon vier Leute da“ …
Der Bau der Kaiserpfalz und deren Geschichte waren nicht unbedingt ein Ruhmesblatt. Es gab schon während der ersten Zeit einen Baustopp. Danach ningelte jemand, dass man ihm die Aussicht in den Innenhof mit kleinen Gebäuden zugebaut hätte. Wegen des schlechten Bauzustands wohnten hohe Leute irgendwann gar nicht mehr in der Pfalz, sondern in der direkt daneben liegenden Stadt Gelnhausen – die Pfalz war damals ein eigenständiger Ort –, noch später verschanzten sich dort Geächtete, bei der Rückeroberungen wurde die Pfalz demoliert. Irgendwann wurde sie wegen Nichtnutzung verpfändet.
Heute sind noch die umgebende Mauer, der Eingangsturm und eine Trennwand im Innenbereich zu sehen, der Rest der Bauwerke ist nicht mehr vorhanden. Trotzdem ist die Kaiserpfalz Gelnhausen die am besten erhaltene Pfalz der Staufer in Deutschland. Und geschichtlich auch sehr bedeutsam: Hier wurde in 1180 ein bedeutender Reichstag durch Kaiser Friedrich I. Barbarossa abgehalten, bei dem auch im Rahmen des Prozesses gegen Heinrich den Löwen jenem die Besitztümer aberkannt und neu verteilt wurden. Tja, so ist das, wenn man seinem Cousin die Unterstützung gegen die aufständischen oberitalienischen Städte verweigert und auch noch eingeschnappt ist, weil einem zusätzliche Privilegien (u. a. die Silberstadt Goslar) nicht zugestanden werden! Wer Details wissen möchte und sich zudem noch für die deutsche Geschichte des 12 Jahrhunderts interessiert, dem empfehle ich die „Schwert und Krone“-Romanreihe von Sabine Ebert. Man kann natürlich auch ein Geschichtsbuch lesen oder Wikipedia befragen. Die Romane sind aber unterhaltsamer.
Es donnert zwar weiter, aber es gewittert doch nicht. Deshalb: Terrasse, Kuchen und Bücher!