Eifel, Huppenbroich 2025

Donnerstag, 7. August:
Vogelsang IP

Male­risch am Steil­hang über dem Urft­see gele­gen, erstreckt sich eine Anlage, wie sie so häss­lich eigent­lich nur die Nazis hin­ge­klotzt haben kön­nen. Und tat­säch­lich hat sich dort in den Jah­ren 1934 bis 1939 ein Archi­tekt mit dem pas­sen­den Namen Cle­mens Klotz im Auf­trag des Ober­na­zis und Reichs­ar­beits­mi­nis­ters Ley ver­wirk­licht und eine der soge­nann­ten „Ordens­bur­gen“ in die Land­schaft gedü­belt. Trut­zig und wuch­tig hin­ge­rotzt und mit Wohn- und Bil­dungs­bau­ten, Sport- und Fei­er­plät­zen sowie sogar einer Schwimm­halle aus­ge­rüs­tet, ist es ein wei­te­rer archi­tek­to­ni­scher, tau­send­jäh­ri­ger Reichs­klum­pen von dis­kus­si­ons­wür­di­ger Schönheit.

Die Ordens­bur­gen dien­ten dazu – bzw. soll­ten dazu die­nen, mehr dazu spä­ter –, NSDAP-Füh­rungs­ka­der her­an­zu­züch­ten. Auf mora­li­sche Taug­lich­keit geprüft, handse­lek­tiert von Kom­mis­sio­nen und oft von Ley per­sön­lich, beka­men Kan­di­da­ten mit Poten­zial hier die Mög­lich­keit, ihr theo­re­ti­sches Wis­sen um so wich­tige The­men wie Ras­sen­lehre, Geschichte der Wikin­ger und ande­rer ger­ma­ni­scher Völ­ker, Ver­wal­tung und Kame­rad­schaft zu erwei­tern und ganz neben­bei – und man­gels Per­so­nal über­wie­gend, dazu spä­ter – auch noch den wind­hund­le­der­nen Kör­per zu stäh­len, indem ihm abseits des nor­ma­len Drills auch noch Boxen, Rei­ten, Fech­ten und ande­res bei­gebracht wurde.

Ange­dacht war sogar Flug­un­ter­richt, aber das schei­terte an einem Flug­platz – und wie viele der vorab genann­ten Sachen an der Dis­kre­panz zwi­schen Anspruch und Wirk­lich­keit bei den Nazis. Ange­fan­gen vom nur unzu­rei­chen­den und unzu­rei­chend geschul­ten Aus­bil­dungs­per­so­nal aus der zwei­ten bis drit­ten Reihe über die Tat­sa­che, dass der eigent­lich geplante Umfang der Anlage am Ende nur vier­zig Pro­zent erreichte, über den Still­stand in Bau und Erzie­hung wegen des von Deutsch­land ange­fan­ge­nen Krie­ges bis hin zum Umstand, dass schluss­end­lich nicht ein­mal alle geplan­ten Ordens­bur­gen über­haupt gebaut wur­den und der damit eigent­lich ange­strebte Kurs­durch­lauf mit dem auf­ein­an­der­fol­gen­den Auf­ent­halt in die­sen Bur­gen nie statt­fand: Am Ende war der Out­put die­ses Kader­pro­gram­mes quan­ti­ta­tiv und qua­li­ta­tiv eher unzu­rei­chend. Was aber nicht bedeu­tete, dass nicht doch einige Absol­ven­ten der Ordens­burg spä­ter in den vor­über­ge­hend okku­pier­ten Ost­ge­bie­ten Scha­den an Men­schen und Mate­rial anrich­ten konn­ten. Die wenigs­ten wur­den dafür nach dem Krieg zur Rechen­schaft gezo­gen. Ley aller­dings wurde ver­haf­tet und machte kurz vor Pro­zess­be­ginn den Göring. Jedoch per Strick. Auf’m Klo. Tschüss!

Nach dem Krieg wurde die Anlage zur Ver­wal­tung an Bel­gien über­ge­ben, das zwar keine offi­zi­elle Besat­zungs­macht war, aber die ehe­ma­lige Ordens­burg mili­tä­risch nutzte. Ein Teil der Bara­cken und Gebäude wurde als Kaserne wei­ter betrie­ben, ein Teil abge­ris­sen, neue Gebäude errich­tet. Spä­ter diente das Gelände als NATO-Trai­nings­ge­lände für die west­eu­ro­päi­schen Staaten.

Das Kür­zel „IP“ steht für „Inter­na­tio­na­ler Platz“, weil es heute für ca. 250.000 Besu­cher im Jahr aus vie­len Län­dern der Welt als Begeg­nungs- und Erin­ne­rungs­stätte fun­giert. Es gibt Dauer- und Son­der­aus­stel­lun­gen zum par­tei­po­li­ti­schen Zucht­pro­gramm der schrumpf­ger­ma­ni­schen Her­ren­rasse sowie zur Natur und Tier­welt der umge­ben­den Eifel, und auch ein Gäs­te­haus und ein Sitz des DRK sor­gen dafür, dass Vogel­sang IP heute kein toter Platz ist.

Wir emp­feh­len ganz ein­deu­tig die unge­fähr ein­ein­halb Stun­den dau­ernde Füh­rung, auch weil man nur im Rah­men die­ser Bli­cke in die Bara­cken, ins Wirts­haus und ins ehe­ma­lige Kino der Bel­gi­schen Armee (der 50er-Jahre-Charme ist optisch und olfak­to­risch unüber­trof­fen!) wer­fen kann. Eine Turm­be­stei­gung mit gran­dio­ser Aus­sicht wäre bei vor­he­ri­ger Buchung – die Teil­neh­mer­zahl ist begrenzt, und der geführte Auf­stieg kos­tet extra – auch mög­lich gewe­sen, wurde aber zeit­lich knapp und wegen eines leicht ange­schla­ge­nen Knies abgewählt.

(Was ich an dem Zei­tungs­aus­schnitt aus dem „Angriff“ lus­tig finde? Die Rei­hen­folge und Gesamt­wir­kung der eigent­lich gar nicht zusam­men­ge­hö­ren­den Über­schrif­ten: „Aus­lese ohne Vor­ur­teile“ – „Fall­schirm­ab­sprung als Mut­probe“ – „Drei Tote“. Das spie­gelt die manch­mal unfrei­wil­lige Komik im Tun und Publi­zie­ren der Nazis wider.)

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